Während Carl Barks, der »gute« Entenzeichner zumindest durch seine Comics im deutschsprachigen Raum vergleichsweise früh bekannt wurde, blieb Floyd Gottfredson, der »gute« Mauszeichner, bei uns lange Jahre ein Unbekannter. In nur wenigen Zeitungen wurden seine Strips abgedruckt, und erst 1973 hatte der deutsche Leser mit den im Melzer Verlag veröffentlichten Büchern Ich Micky Maus 1 und 2 die Möglichkeit, längere Gottfredson-Stories im Stück zu genießen. In beiden Bänden jedoch fehlte jeglicher Hinweis auf den Zeichner, und erst Horst Schröder brachte 1975 in den beiden Ich Goofy-Ausgaben (wiederum Melzer Verlag) in seinen Vorworten Licht ins Dunkel.
Floyd Gottfredson, ein eher konservativer Mensch und strenggläubiger Mormone, der bis zu seinem Tod am 27.Juli 1986 immer in ausgesprochen bescheidenen Verhältnissen lebte, konnte für sich beanspruchen, der Disney-Zeichner zu sein, der einer einzigen Figur am längsten treu geblieben ist: 45 Jahre, vom 5. Mai 1930 an bis zu seiner Pensionierung 1975, zeichnete er täglich die Maus, für einige Jahre sogar zusätzlich noch die Sonntagsseite.
Inzwischen sind seine Geschichten, die er übrigens mit einer verkrüppelten (!) Hand gezeichnet hat, in vielen europäischen Ländern in zum Teil recht aufwendigen Ausgaben nachgedruckt worden und erfreuen sich bei den Fans größter Beliebtheit - zu Recht, denn er war es, der Micky und seinen Freunden ihren lebendigen Charakter gab. Humor und Abenteuer gleichzeitig zu präsentieren war ständig sein Ziel, eine Kombination, die im Prinzip unschlagbar ist und nur von wenigen Comic-Künstlem erreicht wird. Daß die »späte« Micky Maus seit der Umstellung von den langen Fortsetzungsgeschichten zum täglich abgeschlossenen Gag-Strip 1955 längst nicht mehr jene Vitalität wie die »frühe« Maus aufwies, war dabei nicht seine Schuld: Zu stark wurden die Restriktionen und internen Zensurvorschriften, die ihm das Studio und das Syndikat King Features dann vorgaben.
Das Interview wurde Mitte der 7oer Jahre von Tom Andrae (Berkeley/Cal.) aufgenommen und um einige wenige Passagen aus einem Gespräch ergänzt, welches Malcolm Willits, ein guter Freund Gottfredsons, bereits 1968 geführt hat.
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